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  • Auslieferungsverfahren nach IRG

Das Auslieferungs-
verfahren
erklärt

In diesem Artikel möchten wir – ihre Rechtsanwälte am Marienplatz – Ihnen einen Überblick über das Auslieferungsverfahren nach dem Rechtshilfegesetz geben.

Jährlich werden in etwa 1.700 Auslieferungsersuchen anderer Staaten an die Bundesrepublik Deutschland gestellt. Diese Verfahren betreffen sowohl Auslieferungsersuchen im Rahmen der Strafverfolgung als auch in der Strafvollstreckung. Fast die Hälfte dieser Verfahren finden ihre Erledigung durch eine gerichtliche Entscheidung [Erhebungen des Bundesamtes für Justiz aus den Jahren 2016 bis 2018 (Dr. Christian Johnson), abzurufen unter: https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/Justizstatistik/Auslieferung/Auslieferung_node.html].

Ein Auslieferungsverfahren beginnt in der Regel damit, dass gegen den Betroffenen im Ausland Ermittlungen wegen schwerer Straftaten laufen oder bereits eine Verurteilung des Betroffenen im Ausland vorliegt. Wenn sich der Betroffene dann nicht im entsprechenden Staat aufhält, um sich seinem (Vollstreckungs-)Verfahren zu stellen, sondern in der BRD, bleibt dem Fremdstaat keine andere Möglichkeit, als die Bundesrepublik um Auslieferung zu ersuchen.

Maßgebliches Gesetz für diese Verfahren ist das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (kurz: „IRG“).

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Auslieferungshaftbefehl/Festhalteanordnung

Nur selten wird der Betroffene damit einverstanden sein, in einen anderen Staat hin ausgeliefert zu werden. Das IRG sieht deshalb vor, dass der Betroffene zur Durchführung des Auslieferungsverfahrens festgehalten und sogar inhaftiert werden kann (§§ 17 ff. IRG). Es ergeht ein sogenannter Auslieferungshaftbefehl oder eine Festhalteanordnung.

Spätestens hier ist dem Betroffenen dann ein Rechtsbeistand – bestenfalls ein Strafverteidiger – zur Seite zu stellen, der ihn in dem Auslieferungsverfahren unterstützt. Dies ist aber auch dringend notwendig, da das Auslieferungsrecht ein komplexes Rechtsgebiet mit einer Mischung aus nationalen und internationalen Vorschriften ist.

An dieser Stelle muss deutlich gemacht werden, dass der Betroffene nicht nur Auslieferungsobjekt ist und so auch nicht gesehen werden sollte, sondern vollwertiger Rechtsträger, dessen Auslieferung der tragfähigen Rechtfertigung durch die Justiz bedarf.

Aus diesem Grund ist dem Betroffenen gemäß § 40 Abs. 1 IRG in jeder Lage des Verfahrens Gelegenheit zu geben, sich eines Rechtsbeistands zu bedienen. Im Falle der Verhaftung ist ihm sogar zwingend ein Rechtsbeistand beizuordnen, vgl. § 40 Abs. 2 IRG.

 

Das Auslieferungsverfahren nach dem IRG

Das Auslieferungsverfahren im engeren Sinne teilt sich im Wesentlichen in zwei Abschnitte: dem Zulässigkeitsverfahren und dem Bewilligungsverfahren.

Untypischerweise beginnt das Auslieferungsverfahren in der Regel mit einem gerichtlichen Verfahren (Zulässigkeitsverfahren), an das sich ein behördliches Verfahren anschließt (Bewilligungsverfahren).



Das Zulässigkeitsverfahren vor dem OLG

Ganz zu Beginn hat der Betroffene die Möglichkeit – nach umfassender Belehrung – sein Einverständnis zu einem vereinfachten Auslieferungsverfahren zu geben, § 41 IRG. Tut er dies nicht, geht das Verfahren seinen geregelten Ablauf.

Das Zulässigkeitsverfahren wird dann durch einen Antrag der Generalstaatsanwaltschaft an das Oberlandesgericht eingeleitet mit der Frage, ob die Auslieferung zulässig ist (§ 29 Abs. 1 IRG). Das Oberlandesgericht hat sodann über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden (§ 32 IRG). Inhaltlich hat das Oberlandesgericht zu prüfen, ob ein sicherer Nachweis der personellen Identität des Verfolgten mit dem Betroffenen vorliegt, ob der Auslieferung rechtliche Hindernisse entgegenstehen und ob die unabdingbaren Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen.

Als Zulässigkeitsvoraussetzungen und Auslieferungshindernisse sind unter anderem die Folgenden zu nennen:

  1. Beidseitige Strafbarkeit, § 3 Abs. 1 IRG: Die Tat muss nicht nur in dem ersuchenden Staat strafbar sein, sondern auch nach deutschem Recht.

  1. Mindestsanktion, § 3 Abs. 2 IRG: Das Höchstmaß der Strafbarkeit muss mindestens ein Jahr betragen.

III. Keine politische Verfolgung, § 6 IRG: Eine Auslieferung ist nicht zulässig, wenn es sich um ausschließlich eine „politische Tat“ handelt oder wenn ernstliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Verfolgte wegen rassistischer Motive, seiner Religion, Staatsangehörigkeit oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt oder bestraft wird.

  1. Selbstverständlich darf auch niemand ausgeliefert werden, dem im ersuchenden Staat für die Tat die Todesstrafe droht, § 8 IRG.

  1. Eine Doppelbestrafung („ne bis in idem“) bei Auslieferung ist ein Zulässigkeitshindernis.

  1. Bestimmtheitserfordernis, § 10 IRG: Die Unterlagen, aus denen sich der Tatverdacht gegen den Betroffenen ergibt, müssen hinreichend bestimmt sein.

VII. Spezialität, § 11 IRG: Es muss gewährleistet sein, dass der Auszuliefernde im ersuchenden Staat nur für dasjenige bestraft wird, was auch Grundlage für die Auslieferung gewesen ist. Auch darf der Betroffene nicht ohne Zustimmung an einen Drittstaat weitergeliefert werden

VIII. Deutsche Staatsangehörigkeit, Art. 16 GG, § 2 IRG: Auch die deutsche Staatsangehörigkeit steht der Auslieferung grundsätzlich entgegen. Ausnahmen sind nur über die Voraussetzungen des § 80 IRG möglich.

  1. „Ordre Public“, § 73 IRG: Auslieferungsmaßnahme darf den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung nicht widersprechen.

Sollte das Oberlandesgericht von der Unzulässigkeit der Auslieferung überzeugt sein, so wird es die Rechtshilfe des ersuchenden Staates per Beschluss ablehnen (§ 12 IRG).

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Das Bewilligungsverfahren

Im Falle der Zulässigkeit schließt sich das Bewilligungsverfahren an. Hierbei trifft dann die zuständige Justizbehörde eine Ermessensentscheidung. Das Bewilligungsverfahren folgt keinen strengen Regeln, sondern ist eine (außen-)politische Entscheidung. So kann zum Beispiel die (zulässige) Auslieferung abgelehnt werden, wenn der ersuchende Staat in der Vergangenheit ebenfalls Rechtshilfeersuchen der Bundesrepublik abgelehnt hat. Auch kann hier beispielsweise berücksichtigt werden, ob der Betroffene im ersuchenden Staat politischer Verfolgung ausgesetzt ist.

Rechtsschutzmöglichkeiten im Auslieferungsverfahren

Bei der Frage nach den Rechtsschutzmöglichkeiten im Zulässigkeitsverfahren zeigt sich bereits ein Problem. Gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 IRG sind die Entscheidungen der Oberlandesgerichte unanfechtbar. Dies bedeutet, dass der Betroffene gegen eine bereits ergangene Zulässigkeitsentscheidung kein ordentliches Rechtsmittel mehr hat. Gemäß § 33 IRG kann zwar eine erneute Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Zulässigkeit beantragt werden, dies hat jedoch zur Voraussetzung, dass nach der ursprünglichen Entscheidung neue Umstände bekannt werden, welche geeignet sind, eine andere Entscheidung zu begründen. Dies entspricht einer Art Wiederaufnahmeverfahren und steht vor hohen Hürden.

Die Vorlage zum Bundesgerichtshof wegen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung (§ 42 IRG) kann allein das Oberlandesgericht vornehmen. Der Betroffene hat hier bedauerlicherweise kein eigenen Antragsrecht, was aus unserer Sicht äußerst fragwürdig ist, da dies dem Rechtsmittelsystem in anderen Verfahrensarten gegenläufig ist.



Die Vorlage zum Bundesgerichtshof wegen Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung (§ 42 IRG) kann allein das Oberlandesgericht vornehmen. Der Betroffene hat hier bedauerlicherweise kein eigenen Antragsrecht, was aus unserer Sicht äußerst fragwürdig ist, da dies dem Rechtsmittelsystem in anderen Verfahrensarten gegenläufig ist.

Es verbleiben allein die außerordentlichen Rechtsschutzmöglichkeiten der Anhörungsrüge und der Verfassungsbeschwerde vor dem Hintergrund der Versagung rechtlichen Gehörs, welche nur in den wenigsten Fällen von Erfolg gekrönt sein werden.

Dennoch sollte im Zweifels- und Bedarfsfalle von jeglichen Möglichkeiten, auch von einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht nach § 32 BVerfGG Gebrauch gemacht werden. Denn wurde der Betroffene einmal ausgeliefert, so besteht keine taugliche Möglichkeit mehr, diesen wieder zurück nach Deutschland zu überstellen.

Im Bewilligungsverfahren ist dem Betroffenen sodann keinerlei Rechtsschutzmöglichkeit mehr an die Hand gegeben. Grund hierfür ist, dass die außen- und kriminalpolitischen Erwägungen, welche hier eine Rolle spielen, für die Gerichte nicht justiziabel sind.

All dies macht es unumgänglich, bereits frühzeitig im Zulässigkeitsverfahren entsprechende Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Auslieferung vorzutragen. Ein erfahrener Rechtsbeistand wird die erfolgversprechenden Einwendungen schnell erkennen und die notwendigen Schritte einleiten um eine unrechtmäßige Auslieferung zu verhindern.

Abschließend weisen wir darauf hin, dass der Artikel selbstverständlich keine Rechtsberatung im Einzelfall ersetzen kann. Dieser kann nur einen groben Überblick für Betroffene, Angehörige oder Interessierte geben. Gerne beraten wir Sie jedoch individuell im Einzelfall in unserer Kanzlei am Marienplatz in Würzburg zu Auslieferungsangelegenheiten.

Thomas Steur

Strafverteidiger | Fachanwalt für Strafrecht